Aus der Geschichte der St. Joachims Schützenbruderschaft Schierwaldenrath

 

Von den Anfängen bis zum Ende des zweiten Weltkrieges (1805 - 1945)

 

In der Zeit politischen Niedergangs — das Jahr 1803 gilt als das offizielle Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Napoleon hatte schon die links- rheinischen Gebiete unterworfen und schickte sich an Österreich und Preußen zu erobern — in diesen Zeiten wurde in Schierwaldenrath die St.-Joachims-Schützengesellschaft gegründet (1805). Da sich die Pfarrgemeinde Schierwaldenrath als Pfarrpatronin die Heilige Mutter Anna auserwählt hatte, erkor die Schützengesellschaft den Gemahl der Heiligen Anna, den Heiligen Joachim, zu ihrem Schutzpatron. 

 

Über die Umstände der Gründung — in dieser Zeit wurden auch in Bocket (1806) und Langbroich (1808) Schützengesellschaften gegründet — über die Anfänge oder ersten Statuten, die sich die St.-Joachims-Schützengesellschaft gegeben hat, ist uns leider nichts bekannt, weil schriftliche Aufzeichnungen aus dieser Zeit nicht vorhanden sind.

 

Die ältesten Aufzeichnungen der St.-Joachims-Schützengesellschaft sind die Statuten aus dem März des Jahres 1905, die sich allerdings, wie es dort heißt, auf Beschlüsse des Vorstandes aus dem Jahre 1884 beziehen. Diese Beschlüsse berufen sich laut Chronik ausdrücklich auf ältere Statuten, die allerdings, wie oben erwähnt, im Dunkel der Geschichte untergetaucht sind.

Diese ältesten Aufzeichnungen haben für uns heute in erster Linie historischen Charakter, und manche dieser Statuten entlocken uns eher ein Schmunzeln. So lesen wir in Nummer 10: „Jedes unverheiratete Mitglied, welches keine 35 Jahre ist, muß an den Diensttagen der Früh- und Herbstkirmes ein Frauenzimmer zum Entree haben oder hat 50 Pf. Strafe zu bezahlen.“

 

Ebenso mutet uns heute merkwürdig an, daß, wenn ein Verheirateter den Vogel abgeschossen hatte, es der Ehefrau freigestellt war, an den Aufzügen teilzunehmen. Daß das Schützenwesen aber schon eine ernste Angelegenheit war, mögen folgende Aufzeichnungen zeigen: Wer beim Kirmesaufzug unentschuldigt fehlte, hatte 50 Pf. Strafe zu zahlen, wer zu spät kam, 10 Pf., und wer sich dem Vorgesetzten widersetzte mußte ebenfalls 50 Pf. zahlen (zum Vergleich: ein Tagelöhner verdiente in dieser Zeit etwa 1 Mark am Tage).

 

Wie sah es denn bei den Aufzügen um die Jahrhundertwende aus. Die Schützenbrüder trugen alle ein Gewehr; diese stammten noch aus der napoleonischen Zeit. Mit diesen Gewehren wurde auch der Königsvogel geschossen, und zwar auf dem Heeklief. Die Schützen gossen sich ihre Kugeln selbst, Pulver und Zündhütchen wurden in Heinsberg geholt. Als Vogel diente ein knorriges Stück Holz aus einer Buchenhecke, in das ein Loch gebohrt wurde. Dieser „Vogel“ wurde auf eine ca. 12 bis 15 Meter hohe Stange gesetzt. Nach einem „Vater unser“ war es dann soweit: Von Leitern aus wurde auf den „Vogel“ geschossen, und zwar beliebig durcheinander, zum Teil, wenn der „Vogel“ sehr hartnäckig war, sogar in Salven. Nicht bekannt ist allerdings, wer Schützenkönig wurde, wenn bei einer solchen Salve das Holz herunterliel. An dieser Stelle sei noch eine kleine Anekdote aus dem Jahre 1907 erwähnt. Der Schütze Josef Dahlmanns hatte Aussichten, zum dritten Mal in Folge den Vogel von der Stange zu holen, was aber unter allen Umständen verhindert werden sollte. Bei diesem Wettkampf ging es so heiß her, daß einem Schützen die Schulter auseinandergerissen und ein anderer im Gesicht verletzt wurde. Offensichtlich waren die Gewehre in der Eile nicht sachgemäß geladen worden. Als am Sonntag danach einige Schützen sich über das Unglück unterhielten und jemand zum damaligen Hauptmann, Gerhard Laumen (Laumesch Jraades), sagte: „Dät hau ävver noch ens joot jejange“, soll Jraades geantwortet haben: „J oot jejange, joot jejange, sue lang jeene kapottbliffd, hät dät ömmer joot jejange.“ Die Sitten waren eben etwas rauher in den alten Zeiten.

 

Die anschließende Kirmes wurde in einem kleinen, etwa 80 Quadratmeter großen Zelt gefeiert, das der Schützengesellschaft gehörte. Mit dem Geld, das dort eingenommen wurde, mußten die Schützen das ganze Jahr auskommen. Ab 1903 „residierten“ die Schützen in einem von der Wirtin Witwe Drießen auf Jahre angemieteten Saal. An den Kirmessonntagen wurde zu dieser Zeit Theater gespielt, montags und dienstags war Ball.

Im Jahre 1905, genau 100 Jahre nach der Gründung der Schützengesellschaft, feierte Schierwaldenrath sein erstes Schützenfest, das laut mündlicher Überlieferung sehr erfolgreich verlief.

 

Im ersten Weltkrieg (1914-1918) kam das Schützenwesen zum Erliegen, aber schon 1919 nahm die St.-Joachims-Schützengesellschaft ihre Tätigkeit wieder auf. Nachdem 1926 die traditionelle Anna-Kirmes auf Wunsch des Pfarrers Pfennings abgeschafft bzw. verlegt wurde, um das Fest der Heiligen Anna ausschließlich im kirchlichen Rahmen feiern zu können, wurde das Schützenwesen neu organisiert. Die St.-Joachims-Schützengesellschaft wurde der Erzbruderschaft vom Heiligen Sebastianus angeschlossen, einem geistlichen Präses und einem Dekanat unterstellt. Seit 1928 haben unsere Schützen auch eine andere Bezeichnung: aus der Schützengesellschaft wurde eine Schützenbruderschaft.

 

1930 fand in Schierwaldenrath dann das zweite Schützenfest der St.-Joachims- Schützenbruderschaft statt. Die Vorbereitung der Festwiese mußte, weil es in den Wochen vorher ständig geregnet hatte, sonntags morgens ab 4.00 Uhr vorgenommen werden. Bei dann herrlichem Wetter wurde auch dieses Schützenfest ein Erfolg. Von dem finanziellen Erlös dieses Schützenfestes wurde 1933 eine neue Fahne angeschafft, weil die alte (übrigens ein sehr schönes Stück) total beschädigt war. Aber auch diese Fahne befindet sich heute in einem schlechten Zustand und bedarf der Restaurierung.

 

Der zweite Weltkrieg (1939—1945) brachte dann das vorläufige Ende der St.-Joachims-Schützenbruderschaft. Erwähnenswert ist besonders, daß die St.-Joachims-Schützenbruderschaft als einzige weit und breit bis 1939 ihren Pfarrer bei den Kirmesfeierlichkeiten abgeholt hat.

 

 

Die St.-Joachims - Schützenbruderschaft von 1945 bis 1986

 

In den Wirren des zweiten Weltkrieges verlor die Schützenbruderschaft Fahnen, Offiziersröcke, Mützen, Degen, Helme, selbst das Königssilber. Trotzdem nahm die St.-Joachims-Schützenbruderschaft am 1. Adventssonntag 1947 ihre Tätigkeit wieder auf. An dieser Stelle sei erwähnt, daß der damalige Sportverein Westwacht Schierwaldenrath unter seinem Vorsitzenden Leo Wolks in den Jahren 1946/47 als Veranstalter der Kirmes auftrat.

Ab 1948 übernahmen die Schützenbrüder dann die Ausrichtung der Kirmes. Zwischenzeitlich hatte sich auch wieder die Fahne, die in Gangelt auf dem Friedhof lag, und das Schützensilber, das in der Dunggrube bei Peter Hamacher gelegen hatte, eingefunden. 1948 fand das erste Vogelschießen nach dem Kriege statt; allerdings wurde mit der Armbrust geschossen, da die hiesige Besatzungsmacht (England) das Schießen mit Gewehren untersagt hatte. Der glückliche Schütze und damit erster König nach dem Kriege war Josef von Heel.

Interessant ist die Tatsache, daß der damalige Fahnenträger Josef Gradissen sich das Fahnentragen noch ersteigern mußte, und zwar mit einem ansehnlichen Geldbetrag.

 

Das Vogelscnießen 1949 ist vielen heute noch lebenden Schützenbrüdern in sehr guter Erinnerung, es ereignete sich beim Vogelschuß nämlich folgendes: Die Armbrust, die von Heinrich Hilgers (Schniederkes Hein) gespannt wurde, klemmte als Karl von Heel schießen wollte. Er sagte noch beim Herumhantieren: „Hein, dät Deng jeet neet.“ Da war es schon passiert. „Dät Deng jeng waal“ und der Vogel lag unten. Als Karls Bruder, Hans von Heel (Schuele Hans), das „Malheur“ sah, rannte er nach Hause, wobei er gerufen haben soll: „Dät kost os een Ko!“

 

Das Leben in Deutschland normalisierte sich, auch das Schüzenwesen nahm seinen gewohnten Gang. So wurde 1950 eine neue Schützenfahne angeschafft. 1955 konnte das erste Schützenfest nach dem Kriege als Jubiläum (150 Jahre Schützenbruderschaft St. Joachim) gefeiert werden. Wie Berichten und mündlichen Erzählungen zu entnehmen ist, muß es ein glänzendes Fest gewesen sein. Samstags nachmittags, am 13. August, gaben „Böllerschüsse das Signal zur Arbeitsruhe“ und alle Dorfbewohner, „die geschlossen ihre Häuser verlassen hatten“, begaben sich zum Festzelt, um den Heimatabend mitzuerleben. Am Sonntag bevölkerten 1500 Schützen, 400 Pfeifer und Trommler und Tausende von Gästen Schierwaldenrath. Ein Schützenfest war damals — vielleicht mehr noch als heute — eben ein ganz besonderes Ereignis, welches überschwänglich gefeiert wurde. Aus Anlaß des Schützenfestes stiftete Martin Thevis (Müele Martin) 1955 der Schützenbruderschaft eine Schwenkfahne.

 

Elf Jahre später (1966) fand dann das nächste Schützenfest der St. Joachims - Schützenbmderschaft in Schierwaldenrath statt. Auch hier wurde der Heimatabend von Schule und Kirchenchor, dem damals noch in den Kinderschuhen steckenden Musikverein und den anderen Ortsvereinen gestaltet. Auch der Festzug am Sonntag war bei strahlendem Wetter nach Aussage der Beteiligten ein strahlendes Erlebnis. Der Montag allerdings soll total verregnet sein.

 

Ein besonderes Erlebnis ist bis heute das alljährliche Vogelschießen, wobei es auch in unserer Zeit gelegentlich Anlaß zum Schmunzeln gab. Ende der 50er Jahre soll der Vogel der vor dem Aufzug schon aufgestellt und von einem Schützenbruder bewacht wurde, bei der Ankunft der Schützen schon unten gelegen haben, weil der Wächter Heinrich Mocken, der Schirmherr des diesjährigen Schützenfestes, statt zu wachen bei Clieve (Philippen) saß und es sich beim Bier gutgehen ließ. Die Stelle, an der der Vogel geschossen wurde, wechselte häufig, wie aus den Aufzeichnungen und mündlicher Überlieferung hervorgeht. So wurde im Laufe der Zeit auf den Heeklief, auf der Maar, auf der Wiese Feindt westlich des Bahnhofes der IHS, An der „Bahn“, an der Stelle, wo das Haus Jakob Schlicher steht, bei Clieve (ehemalige Wirtschaft Philippen), im zwischenzeitlich errichteten Schießstand, auf dem Spielplatz an der Schule und in den letzten Jahren dann wieder auf dem Maarplatz geschossen.

 

Einen besonderen „Coup“ landeten die St.-Joachims-Schützen beim Schützenfest in Prummern 1967. Beim Vorbeimarsch regnete es in Strömen, und die Schützen suchten ihr Heil in der Flucht, d. h. sie liefen aufs Festzelt. Der Spielmannszug Schierwaldenrath allerdings marschierte tapfer durch den Regen. Bei der Verteilung der Preise am Abend bekam die St.-Joachims-Schützenbruderschaft den Ehrenpreis, was allgemeine Heiterkeit bei allen Nichtbeteiligten hervorrief. 1972 konnten neue Offlziersröcke angeschafft werden. Die Farbe hatte inzwischen von Schwarz (nach dem Kriege) auf Grün gewechselt.

 

Ein weiterer markanter Punkt in der Entwicklung der St.-Joachims-Schützenbruderschaft ist die Gründung der Schießgruppe am 2. November 1975. In Eigenregie und Eigenarbeit wurde der Schießstand auf dem Grundstück Ernst Rademacher errichtet und konnte 1976 eingeweiht werden. Besonders die Jungschützen nutzten diese Gelegenheit zur sportlichen Betätigung, zumal Erfolge nicht ausblieben. So wurde 1979 die Dekanatsstandarte des Dekanates Gangelt-Selfkant nach Schierwaldenrath geholt. In den Jahren 1979, 1980 und 1981 errang die Schießgruppe dreimal in Folge die Dekanatswanderplakette. Auch heute ist die Schießgruppe ein wichtiger Bestandteil der Schützenbruderschaft. In diesem Zusammenhang muß das Jahr 1977 erwähnt werden, das für einen Bewohner Schierwaldenraths, aber auch für den Ort selbst, von großer Bedeutung war. Im Alter von 14 Jahren wurde Heinz Heinen Bundesschülerprinz beim Bundesschießen in Paderborn. Dieses Ereignis wurde natürlich gebührend gefeiert.

 

Vom 10. bis 12. Juli 1976 richtete die St.-Joachims-Schützenbruderschaft ihr insgesamt fünftes Schützenfest aus. Bei tropischen Temperaturen von ca. 40 Grad Celsius fand am Sonntag der Festzug statt. So wurde für manchen das Vergnügen zur Qual, um so mehr ist hervorzuheben, daß 28 Bruderschaften und Musikvereine dieses Mammutprogramm tapfer durchstanden. Der lang ersehnte Regen prasselte dann am Montagabend auf das Festzelt nieder, wobei die meisten Zeltbesucher trotz „Sonntagsstaat“ nach draußen liefen und patschnaß wieder zurückkehrten.

 

Ab dem Jahre 1981 führt die St.-Joachims-Schützenbruderschaft ein Prinzenvogelschießen durch. Der erste Prinz wurde Theo Wilms.

 

Aus dieser  Zusammenfassung läßt sich erahnen, wieviel Mühe, Fleiß, Arbeit, sicherlich auch viel Freude und Frohsinn, Treue zum Verein im Laufe der Zeit in die St.-Joachims-Schützenbruderschaft hineingesteckt worden sind. Daß diese Arbeit sich gelohnt hat, erkennt man an den vielfachen Aktivitäten der St.- Joachims-Schützenbruderschaft, ohne die es ein richtiges Dorfleben in Schierwaldenrath nicht geben würde. Sicher wird der Spruch „Glaube, Sitte, Heimat“ auch in der Zukunft die St.-Joachims-Schützenbruderschaft bei allen ihren. Unternehmungen beflügeln.

 

Anmerkung der Redaktion:
Chronik wird weiter ergänzt